Von Corinna und Franzi
Die letzten 3 Januarwochen verbrachten wir nördlich von Manila in einem kleinen, aus bunten Häusern bestehenden Dorf, das umgeben von Reisfeldern liegt. Es wurde von der philippinischen Hilfsorganisation Gawad Kalinga erreichtet und beheimatet derzeit 27 Familien. Wir durften während unseres Aufenthaltes zusammen mit einer Familie dort leben und hatten die Chance, das sehr einfache Leben der Menschen kennen zu lernen.
Ein Leben ohne fließendes Wasser, Wäsche ausschließlich kalt und von Hand waschen, auf den Reisfeldern auf Rattenjagd gehen, ganze Häuser komplett ohne größere Baumaschinen errichten, sein Abendessen selbst schlachten und in ständigem Kontakt mit Insekten seinen Tag verbringen. Klingt unvorstellbar, für uns jedoch 3 Wochen Realität. Das bedeutete vor der Morgentoilette erst einmal zum Dorfbrunnen zu laufen und Wasser für den Tag holen, das aber meist nach einem ausgiebigen Toilettenbesuch schon wieder aufgebraucht war. (Noch nie bekamen wir so deutlich zu spüren, wie viel Wasser eine Toilettenspülung eigentlich verbraucht.) Ratsam ist es zudem, vor der Toilette noch einmal den Wasservorrat zu checken, damit Corinna nicht kurzfristig zum Brunnen sprinten muss, da alles Wasser aufgebracht aber der Spülgang noch nicht beendet ist.
Nach einem oft sehr reichhaltigen Frühstück, das jeden Tag für uns von einer anderen Familie zubereitet wurde, halfen wir dann dabei Häuser zu bauen. Diese werden von Familienmitgliedern der später dort einziehenden Familien selbst errichtet (natürlich nicht ohne Bauleiter und einige Fachkräfte), sodass ausschließlich die Materialkosten von Gawad Kalinga bzw. deren Sponsoren übernommen werden müssen. Fast 2 Meter tiefe Löcher ganz ohne Bagger schaufeln, Beton ohne Zementmischmaschine ebenfalls nur mit Schaufeln anrühren und dann in selbstgebauten Eimern in die einzelnen Häuser schleppen – wie alles andere in Jaen lief auch der Hausbau sehr simpel ab. Die sehr anstrengende Arbeit machte uns jedoch großen Spaß, besonders wegen der freundlichen Arbeiter, die uns von Anfang an herzlich aufnahmen und stets besorgt waren, dass die Arbeit zu anstrengend für uns sein könnte und uns daher stetig daran erinnerten Pause zu machen. Uns kam das tägliche „Workout“ jedoch sehr zu Gute, da wir von den Menschen im Dorf zusätzlich zu den reichhaltigen 3 Hauptmahlzeiten am Tag ständig Kaffee, Süßigkeiten oder Snacks angeboten bekamen. Da man diese Angebote nicht ablehnen sollte, weil die Menschen sich sonst verletzt fühlen ( die Goldene Regel lautete: „Never say no“), wären wir ohne diese anstrengende Arbeit am Ende wahrscheinlich nach Manila zurückgerollt.
Neben der Arbeit wurden wir auch mit kulinarischen Besonderheiten konfrontiert. So gab es zum Abendessen Enten-Balut-Salat (zur Erklärung: Balut ist ein gekochtes Ei, in dem ein bereits entwickeltes Embryo vorhanden ist)und zum Mittagessen musste die Ente erst Mal geschlachtet und die Federn gezupft werden. Nachdem Franzi dankend ablehnte, der Ente die Kehle durchzuschneiden, übernahm dies unsere Gastmutter. Leider traf sie nicht die Hauptschlagader der Ente, wodurch wir Zeugen eines verzweifelten, einige Minuten andauernden Überlebenskampfes wurden.
Etwas tierfreundlicher, jedoch nicht PETA-geeignet, ging es bei der Rattenjagd zu. Die Aufforderungen einiger Jungs ,,come on, let’s go catching rats‘‘ hielten wir zunächst für einen Scherz, bis wir uns in mitten von Reisfeldern mit einer Horde von mit Bambus bewaffneten Kindern wiederfanden. Die Löcher der Reisfeldratten wurden mit Wasser gefüllt, sodass diese beim Fluchtversuch von den anwesenden Jungs mit einem Stock erschlagen werden können. Anschließend wurden – mit einem leider nicht sehr scharfen Messer – Krallen, Kopf und Schwanz abgeschnitten und die Organe entnommen, sodass uns einer der Jungs stolz ,,Rat Adobo‘‘ anbieten konnte.
Zum Abenteuer wurde auch das wöchentliche Wäsche waschen, da wir natürlich nicht den Hauch einer Ahnung haben, wie man eigentlich mit Hand, Bürste und Waschbrett seine Wäsche macht. Begleitet wurden wir dabei von Ate Roxanne, die gefühlt die einzige Person im ganzen Dorf mit einigermaßen guten Englischkenntnissen war und uns die ausgeklügelten Techniken der Frauen etwas näher brachte. So wurden die gewaschenen Sachen am Ende auf Grund der Ästhetik auf links gedreht, nach Art des Wäschegegenstandes und Länge sortiert auf die durchs ganze Dorf gespannten Wäscheleinen aufgehängt. Da noch kein Meister vom Himmel gefallen ist wurden wir dauerhaft dabei von schaulustigen Kindern und Eltern beobachtet, die sich auch nicht scheuten uns bei unserer sehr langwierigen Aufgabe von 1 bis 2 Stunden zu begleiten.
Während unseres Aufenthaltes kamen wir nicht nur der Dorfgemeinschaft, sondern auch den einheimischen Insekten ein wenig näher. Da die Toilette nach oben hin geöffnet und das gesamte Haus sehr offen war, schraken die Kakerlaken mehrmals nicht davor zurück, uns teilweise zu sechst abends auf der Toilette zu überraschen. Auch das ständige Jucken nachts, verursacht durch einige kleine Freunde im Bett, konnte von uns auf Grund der Müdigkeit schnell überwunden werden, im Gegensatz zu Ameisenhaufen, mit denen Franzi wiederholt Bekanntschaft machte. Wir lernten auch, etwas zu Essen besser keine 15 Minuten unbeobachtet liegen zu lassen, da die Ameisenstraße dorthin nicht so einfach zu beseitigen ist.
Zwischen der Arbeit von Montag bis Samstag bekamen wir auch die Gelegenheit, einige Ausflüge nicht nur mit dem Tricycle, sondern auch mit einem Carabao (Wasserbüffel) zu machen und somit auch Reis zu pflanzen und Mangos zu ernten.
Während unserer Zeit in der GK-Community in Jaen haben wir nicht nur Vieles gelernt und erlebt, sondern auch die Zeit mit den Kindern und überaus höflichen und aufgeschlossenen Bewohnern sehr genossen. Der tägliche Umgang mit den Kindern, das Helfen beim Hausbau für nachfolgende Familien, das Volleyballspielen am frühen Abend, der Sonnenuntergang an den Reisfeldern oder etwa das Lagerfeuer aus getrockneten Palmenblättern sind nur einige Beispiele dafür, wie sehr es uns trotz des zugegebenermaßen simplen Lebensstandards gefallen hat.